Bericht: AHP 1/5
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Zur Kunstaktion am 10. Mai 2014 auf der Straße in Tosterglope – FEUER: Hirten und Opfer
etwas zwischen Kunst und Alltag, zwischen Aufführung und beiläufigem Geschehen
Während der Aktion hört man: “…das kann keiner verstehen, oder?…die Künstler sollten vielleicht mal etwas dazu sagen…es ist aber Kunst und Kunst muss man nicht verstehen…”
Eine Aktion sollte es werden, die zusammen mit den Leuten aus der Gemeinde auf der gesperrten Dorfstraße stattfindet. Auf offener Straße kann man einmal durchspielen, wie ein Fest oder eine Veranstaltung eines gemeinsamen kulturellen Dorfzentrums aussehen könnte. Eine Veranstaltung ohne Veranstaltungsraum. Einfach schon mal anfangen. Damit knüpft man u.a. an die Initiative “Unser Haus” an, die sich im letzten Jahr im Zusammenhang der von Haus zu Haus – Gespräche mit den Tosterglopern gebildet und sich auf dem Dorffest mit einem konkreten Konzept vorgestellt hatte. Ein temporäres Dorfkulturzentrum, ein provisorisches Gemeindemuseum, eine vorübergehende ländliche Kunsthalle. Das Dorf stellt sich selbst aus, zeigt, inszeniert und artikuliert, worum es gerade geht, worum es mitunter ging und worum es gehen wird: auf dem Dorf und in der Welt.
Was wäre dann dieses Wesentliche, wenn es sich in einem Gegenstand ausdrücken könnte? Was brächten die Leute mit? Womit würden sie agieren, worüber sich austauschen? Wenn man zusammensitzt oder zusammenkommt, braucht man einen Tisch. Für eine Aufführung braucht man eine Bühne. Es könnte also so etwas sein wie ein großer, langer Tisch, oder mehrere Tische. Ein großes gemeinsames Essen wird inszeniert, eine Feier, ein Fest, eine Eröffnung. Straße und Tische wären dann schon Bühne und Versammlungsort in einem. Jeder bringt etwas zu Essen, etwas selbst Gemachtes oder etwas Symbolisches mit. Mit dem Motto von Feuer, Hirten und Opfer könnte man direkt an das dörfliche Osterfeuer anknüpfen, das hier jedes Jahr von der Feuerwehr organisiert wird.
Ein Aufruf wird in der Gemeinde in Umlauf gebracht sich zu beteiligen: Es würde stattfinden, ein Floh-und Jahrmarkt, ein Dorfcafé, eine Aktion anlässlich eines Ersten Museumsfestes der Gemeinde. Die Straße vor dem Kunstraum wird gesperrt, die Feuerwehr präsentiert ihren Einsatzwagen, es agiert die Künstlergruppe R&ST mit Tischen, es gibt Kaffee und Kuchen, sowie Flohmarkttische mit Dingen und Erstaunlichem aus der Gemeinde und auch selbstgemachte Musik.
Feuer, Hirten und Opfer: Das Feuer ist die Feuerwehr, die Hirten sind die Leute und die Tische sind die Herde. Opfer ist, was auf den Tischen und drumherum dargebracht und ausgelegt wird, alles, was kommuniziert wird.
Samstag 11.00 Uhr. Die Sonne sticht fast, es ist frisch und etwas windig.
Am Abend und in der Nacht hatte es heftig geregnet, so dass man kaum damit rechnen konnte, dass viele Leute zum Fest kommen werden.
Im Hofgelände des KUNSTRAUM TOSTERGLOPE ist ein Zelt installiert, das Regenschutz bietet. Es gibt ein paar Biertische. Im Projektraum, der ehemaligen Diele des alten Hofes, steht ein langer Tisch mit Fundstücken, Formen, Materialien aus der Scheune. Ausserdem ein Tisch im Zentrum mit zwei Modellen – das Dorf und ein Umbauvorschlag der großen Scheune zu einem kulturellen Veranstaltungsort: die Bachelorarbeit von Henrik Schoop vom Nachbarhof, der damit sein Architekturstudium abschliesst.
Die Straße vor dem Hof des Kunstraumes ist gesperrt. Der Wagen des Künstlerkollektivs Brigitte Raabe, Michael Stephan und Piet Trantel ist unterwegs, um für die Veranstaltung am Nachmittag Tische aus Köhlingen und Ventschau abzuholen.
Gegen Mittag beginnt es wieder zu regnen, aber längst nicht mehr so heftig wie am Vortag, es gibt Pausen. Allmählich füllt sich der Hof mit Menschen, die ihre Flohmarktstände und Tische aufbauen, die leckere Kuchen vorbeibringen, einander helfen und sich für das Fest einrichten.
15.00 Uhr, etwa 70 – 80 Leute sitzen im Hof unter dem Zelt, unter den vorkragenden Dächern, im Dielenraum und unter dem abgespannten Segeldach, plaudern, schauen und haben damit begonnen, Kuchen zu essen und Kaffee zu trinken. Es regnet wieder. Die Performance ist für 15 Uhr auf der Straße angekündigt. Dort warten unter einer Plane an der westlichen Absperrung 22 Tische, die von Anwohnern für die Aktion zur Verfügung gestellt wurden.
Gegenüber der Hofeinfahrt steht ein Einsatzwagen der freiwilligen Ortsfeuerwehr mit geöffneten Türen. Die Feuerwehrleute Lars Weber, Herbert Wöhlke und Franz Weise in Arbeitskleidung laden zu Besichtigung und Information zum Thema Feuerwehr ein. Schützen, Bergen, Retten, Löschen.In der Hofeinfahrt unter einem Vordach steht ein Kleintransporter mit der Aufschrift einer 49. Auf dem Dach befindet sich eine Aktivbox neben einem Bildschirm, auf dem ein loderndes Feuer zu sehen ist. Aus dem Lautsprecher hört man den Originalton des Tostergloper Osterfeuers von diesem Jahr. Im Hintergrund das Plaudern und die Stimmen der Feuerbesucher.
Gegen 15.30 Uhr tritt eine Regenpause ein. Die Künstler gehen nun durch die Reihen und bitten die Kaffeegäste darum, aufzustehen und mit auf die Straße zu kommen. Der Ton aus dem Lautsprecher des Kleintransporters spielt nicht mehr Feuerprasseln und Ostergespräche ab sondern deutlich über die Entfernung von etwa 50 Metern hörbares Glockenläuten. Langsam bewegen sich etwa 70 Menschen auf die Straße zu und versammeln sich am Rand in der Nähe der westliche Absperrung bei den Tischen, die nun frei ohne Abdeckung stehen, etwa 150 m vom Kunstraum entfernt. Das Glockenläuten schwillt über eine Zeitspanne von 2 Minuten an und ebbt dann langsam ab bevor der Loop wieder von vorne beginnt. Es sei das Tostergloper Glockenläuten, betonen die Künstler auf Nachfrage.
Sie beginnen wortlos und behutsam einen Tisch vom hinteren Teil der Ansammlung zum vorderen Teil zu tragen, setzen ihn dort ab und holen langsam den nächsten nach vorn. Mehr und mehr Leute kommen ohne Aufforderung hinzu und helfen, fassen mit an, heben und tragen zu zweit oder zu dritt, seitlich oder über dem Kopf, kippen, rollen, hebeln, stemmen, setzen ab, stützen und überbrücken, legen ab und stellen übereinander. Menschen bewegen Tisch für Tisch die Ansammlung auf der Straße in Richtung Hofeinfahrt. Vier ältere Leute sitzen zusammen auf einem niedrigen Tisch wie auf einer Bank. Kinder türmen Tische übereinander und tragen sie wieder ab. Zwei Feuerwehrleute helfen dabei, einen Tisch, auf dem Kinder sitzen, anzuheben, und in die Hofeinfahrt hinein zu tragen…
Allmählich löst sich die Menge auf und kehrt zurück zum Flohmarkt und Café. Die Tischherde hat sich in Richtung Kunstraum bewegt und wird mit der Plane abgedeckt, denn der Nachmittagsregen hat wieder eingesetzt. Das Glockenläuten hat aufgehört. Auf dem Monitor des Kleintransporters sieht man wie vorher das lodernde Osterfeuer.
Bis etwa 18.30 Uhr dauern Flohmarkt, Café und Ausstellungen im KUNSTRAUM. Es regnet, die Leute schauen, plaudern, erzählen, kaufen, handeln – offensichtlich unbeeindruckt von den Wetterverhältnissen. Eine Flohmarktverkäuferin ist zufrieden: 60 Euro Einnahmen, Stand umsonst, das sei für ihre Verhältnisse wirklich viel. Noch am Abend fahren die Künstler mit dem Kleintransporter in den Gemeindeteilen herum und bringen ausgeliehene Tische zurück.
Fotos: Reinhard Beu, Dieter Brandes, Anne Staufenbiel, R&ST