Stadt sanieren
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Von Xiao Bigeng
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Stadt sanieren (拆迁 / 征服)
.2013/11/29 Kurz vor dem Beginn der Frostperiode wird auf dem ehemaligen Militärgrundstück abgerissen, damit im Frühjahr sofort mit den Erdarbeiten für eine neue Siedlung begonnen werden kann. Was hier noch ein letztes Mal für kurze Zeit aufscheint, sind die Spuren menschlicher Verhaltensweisen, die weit in die Geschichte der Zivilisation zurückweisen.
Die streunenden Hunde am Eingangstor gehörten wahrscheinlich den ehemaligen Wärtern. Sie werden von einer Frau aus Mitleid mit Essensresten aus der Kantine der Kaserne gefüttert, die zwei Soldaten jeden Tag bringen. (Krieger und Wölfe)
Auf der anderen Seite des Eingangstores sind provisorische Bänke, Hocker und ein Tisch zum Schachspielen aufgestellt. Ältere, vielleicht arbeitslose oder schon in Rente gegangene Männer treffen sich hier in der winterlichen Mittagssonne. (Rente und Pflege, Alter und Medizin)
Fast alle Bäume und Büsche auf dem Gelände sind gefällt und zersägt, das Holz abtransportiert und verkauft. Eine Frau ist mit ihrem E-Bike gekommen und sammelt Reste, bündelt und verstaut sie auf dem Gepäckträger. (Sammlerin)
Ein Hirte hütet seine Ziegen. Sie finden überall noch karge Pflanzenreste, knabbern an Ästen und trockenen Gräsern und düngen mit ihrem Kot unnötigerweise den mit Bauschutt bedeckten Boden. (Hirten und Nomaden)
Mais und Gemüse sind von den kleinen Feldern längst abgeerntet. (Ackerbau und Stadtgarten)
Ein Arbeiter der alten Maschinenbaufirma bewacht Tag und Nacht alte Maschinenteile und Eisenschrott, solange dafür noch kein Käufer oder ein anderer Abstellplatz gefunden ist. Am Tag sitzt er vor einer kleinen mit Decken isolierten Bude, die mit alten Stühlen und einem Bett möbliert ist. Daneben ist ein Haufen Kohle aufgeschüttet, genug für einen Winter. Am späten Nachmittag feuert er den Ofen an. (Industriegesellschaft)
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Bei einigen abgerissenen Gebäuden, Betonpfeilern und Fundamenten wird ein Mann fündig. Er hämmert und meisselt auf dem Sockel einer Stütze herum, um den Baustahl herauszulösen und mit dem Verkauf nebenbei ein bißchen Geld zu verdienen. Ich frage, ob der Beton hart ist. Er will wissen, ob ich Polizist oder von irgendeiner Behörde bin und das Grundstück kontrolliere. Ich antworte, hm. Er fragt weiter, ob es in Ordnung ist, den Stahl zu nehmen. Ich sage, kein Problem. (Tausch, Handel, Währung, Kontrolle)
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Zwei Männer schießen Stahlkugeln auf etwas, das ich nicht erkennen kann. Einer der beiden zeigt stolz seine selbst gebaute Zwille, der andere hat eine gekaufte. (Jäger und Konsumenten)
Hinter einem Reklameposter einer privaten Fremdsprachenschule versteckt sich ein Klo. Wer es nicht rechtzeitig nach Hause schafft, stellt sich hier mit seinen Füßen auf Pflastersteine und hockt sich über eine kleine Grube. (Klima und Umwelt)
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2014/4/14 Das Immobilien-Verkaufscenter wird immer als erstes errichtet und ist in architektonischer Hinsicht meist viel moderner oder zumindest auffällig dekorativer gestaltet als die Wohnungen und Hochhäuser selbst. Das Militärgrundstück ist nun eine fast vollständig leere Baulücke geworden. Wie die Industrie muss auch das Militär das Feld in der Stadt räumen für das landesweite Urbanisierungsprogramm. Daraus Profit zu schlagen, scheint dringend notwendig, um den immens erhöhten Rüstungsetat aufzufangen. Bald können die ersten Wohnungen verkauft werden. Der Bauherr braucht das Geld schnell wie möglich, um weiter zu investieren. Die Käufer haben es ebenso eilig, weil die Wohnungspreise mit der wachsenden Wirtschaft und dem Verlust der Kaufkraft des Geldes steigen. Wenn kein Frost mehr im Boden ist, beginnen die Tiefbauarbeiten. Noch können die alten Leute hier ein wenig Sport treiben. Ob aber in diesem Jahr noch jemand Mais und Gemüse anbauen wird, ist fraglich. (Domestikation der Gesellschaft)